FIND 2016: Dramaturgische Ideen

Weitere dramaturgische Ideen: Politik trifft auf Theater Copyright: Kulturschoxx/Susanne Gietl

Das Spiel ist vorbei – sowohl auf dem FIND-Festival als auch auf der Bühne. Theatermacherin Sanja Mitrović war mit zwei Performances vertreten. Sie kombinierte Fankultur mit Theater und konfrontierte das Publikum mit Reden berühmter Revolutionäre und Politiker.

Do you still love me? – Nur für Fans?

Zurück zu Sanja Mitrovićs Stück: „Do you still love me?“, in dem Theaterfans und Fußballenthusiasten über ihre Leidenschaften sprechen. In der ersten Halbzeit teilten die Fans einfache, aber gute Geschichten. Eine Schauspielerin erzählte, wie sie die Beerdigung ihrer Oma ausfallen ließ, um eine Theaterpremiere nicht zu gefährden. Eine Frau -bekennender Fußballfan – gibt zu, dass sie ihre Tochter anfangs aus Mangel an einer Babysitterin zu Spielen mitnahm. Dann schwärmte die Tochter für einen Fußballspieler und wurde auch Fan. Die Tochter ist nun erwachsen und wir befinden uns in der zweiten Halbzeit des Stückes.

Wofür kämpfst du?

Mitrović greift erneut das Flaggenmotiv auf, reduziert aber die Theater- und Fußballfans auf ihr Fansein. Jeder der Darsteller trägt ein Symbol bei sich. Damit eröffnet Mitrović die Diskussion über Herkunft, die eigene (Heimat-)Flagge und die eigene Geschichte. Wir alle tragen etwas mit uns, auf das wir nicht stolz sind, aber wir lieben unsere Flagge, unser Land trotzdem. Eine unerwartet starke Botschaft, die nach all den Belanglosigkeiten trifft.

 

Speak! – Fremde Reden neu performed

Die Verbindung von Politik und Performance ist in Sanja Mitrovićs zweiter Performance „Speak!“ offensichtlicher. Unter dem Motto „Hoffnung“ tragen Mitrović und der flämische Performer Jorre Vandenbussche Reden berühmter Figuren der letzten 120 Jahre vor. In acht Runden treten sie gegeneinander an und bedienen sich der Worte von Barack Obama, Martin Luther King, Margret Thatcher oder Fidel Castro. Dabei werden die Reden auf ihr Wesentliches reduziert, wichtige Passagen werden übernommen, andere gestrichen. Nicht erlaubt ist es, eigene Worte hinzufügen. Danach stimmt das Publikum anonym ab. Der Verlierer bindet dem Gewinner eine Schärpe um. Erst nach der Abstimmung wird bekannt gegeben, für welche Person der Zeitgeschichte man soeben abgestimmt hat.

Für wen hättest du gestimmt?

Runde für Runde bemerkt man, dass es gar nicht so einfach ist, die richtige Wahl zu treffen. Wer möchte schon für Adolf Hitler stimmen? Aber man muss sich blind zwischen Adolf Hitler und Winston Churchill entscheiden. Auch Saddam Hussein, Martin Luther King oder Mahatma Ghandi kommen durch die beiden Performer zu Wort. Mitrović und Vandenbussche tun ihr Bestes, um möglichst gut zu performen. Sie stellen sich ganz oben auf eine Treppe, sprechen auf deutsch, auf englisch, in der eigenen Sprache oder lassen allein die Gestik sprechen. In dieser Runde formen beide die gleichen Worte mit ihren Lippen. Allein ihr Auftreten zählt. Ein anderes Mal singt die Perfomerin mit sanfter Stimme „Happy Birthday“. Sie gratuliert allen zum Geburtstag. Es sei der Geburtstag eines großen Zimbabwe und der Geburtstag seiner Nation. Später wird sie sich mit ausgestreckten Armen zum Himmel auf ein Podest aus zwei Treppen stellen und eine kriegerische Predigt halten. Wird sie damit gewinnen? Je später die Performance, umso weniger geht es um friedliche Worthülsen, sondern um Krieg. Welcher von beiden Rednern wäre das kleinere Übel?

Mitrovićs „Speak!“ ist eine starke Performance über Manipulation durch Sprache, die Kraft guter Rhetorik  und die eigene Ohnmacht ihr gegenüber.

 

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An dieser Stelle möchte ich mich bei Renata Britvec für die ausführliche Bericherstattung über „Do you still love me?“ bedanken. Sie sah die leisen Töne in der doch sehr lauten Aufführung. Auch sie hat über „Speak!“ geschrieben.

 

Weitere Informationen

Das FIND – Festival Internationale Neue Dramatik fand von 7 bis 17. April in der Schaubühne am Lehniner Platz statt.