Poledancende Breakdancer

Dialogic Movement. Stück: Sonate Pour 4 Chiens. Copyright: Kooné

Die Grenze gibt es nur im Kopf – Die horizontale, die vertikale, die der zu großen Unterschiedlichkeiten. Tanz überschreitet sie. „Dialogic Movement“ zeigte Anfang Dezember im Radialsystem, wie schön so ein Tanz der Gegensätze sein kann. Und sprach darüber. 

Vor den Performances macht Raphael Hillebrand, Tänzer und Choreograph erstmal das Publikum warm. Er fordert die Besucher des Radialsystems auf, sich zu erheben und ganz laut zu klatschen. Auf seinen Befehl hin stoppt der ganze Saal. Wir spüren die Energie in den Händen, zwischen den Händen und formen daraus einen Energieball, stülpen diesen Energieball über unseren Vordermann, unsere Hände rasten auf seinen Schultern und massieren ihn. Nach einer halben Drehung revanchieren wir uns bei unserem Masseur. Entspannt kann es nun also losgehen. Mit der ersten Performance.

„Sonate Pour 4 Chiens“ – An der Stange fast schwerelos

Vier Männer stellen eine schwarze Stange auf. Am Kopf der Stange sind dicke schwarze Bänder befestigt. Um die Stange im Boden zu verankern, formen sie ein Kraftdreieck und ziehen mit aller Kraft an den Bändern. Der vierte, Valo Hollenstein, läuft auf einen der Männer zu, zerrt an seinem Band, dann greift er den nächsten an. Schließlich klettert er Schritt für Schritt die Stange hoch und dann breakdanced er an der Stange. Seine Bewegungen wirken federleicht. Akrobatisch. Mit angewinkeltem Knie hält sich Hollenstein an der Stange und dreht sich mit verschränkten Armen. Sicherung gibt es keine. Die Verbindung zu Pina Bausch suche ich vergebens. Sie ergibt sich erst im Gespräch. Die Moderatorin und Choreographin Louise Wagner bittet gemeinsam mit Raphael Hillebrand die vier Tänzer auf ein Sofa, das sie wie selbstverständlich auf die Bühne tragen.

Cyril Pernot – Der Körper ist das Instrument

Einer von ihnen ist Cyril Pernot. Pernot braucht keine Instrumente. Er demonstriert, wie er seinen ganzen Körper für Percussion nutzt. „Dialogic Movement“ ist eher eine lockere Gesprächsrunde für Insider. Hillebrand stellt die Fragen auf deutsch, Lorca Renoux antwortet auf englisch, Wagner fasst das Gespräch zusammen. Die Begriffe, Namen und Gegebenheiten werden meist ohne Erklärung in den Raum geworfen. Beispielsweise wird die Funktion des Künstlerensembles Renegade, das Lorca Renoux 2003 mitbegründete, nur spärlich erklärt. Die Besonderheit von Renegade besteht darin, allen Tanzstilen gleichberechtigt gegenüberzutreten. Und so kam es zu dem zuvor gesehenen „Sonate Pour 4 Chiens“ (2014)

 

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                 Im Video: Valo Hollenstein.

 

„Afternoon“ – Ein b-boy und sein zierliches Mädchen

Gelernt hatte Renoux bei der Pina-Bausch-Tänzerin Malou Airaudo, die sich sodann der Gesprächsgruppe anschließt und von dem Breakdancer (b-boy) Sefra Erdik schwärmt, den sie nach dem ersten Blick für ihr Stück „Afternoon“ (2015) gemeinsam mit der zierlichen Szu-Wei Wu zu einer Renegade-Produktion verpflichtete. Wu tanzt seit ihrem zweiten Lebensjahr, unter anderem am Tanztheater Wuppertal in Bauschs Stück „Le Sacre du Printemps“. Sie probten zwei Monate lang jeden Tag. Sie lernten sich tänzerisch kennen und diese Energie überträgt sich auch auf das Stück. Sie bewegen sie sich vorsichtig aufeinander zu, dann mit- später gegeneinander. Mal fern, mal nah. Ein weiteres Mal wird das Sofa auf die Bühne geholt, ein Ausschnitt aus Pina Bauschs „Café Müller“ gezeigt, aber ein gutes Gespräch entwickelt sich nicht aus den deutschen, englischen und französischen Interviewschnipseln. Nur dass Airaudo ihren Schüler Renoux sehr gerne haben muss, das erfährt man. Sie fährt ihm ständig durch die Haare und lächelt. Ihr Lächeln verrät mehr über sie als das Interview auf der Bühne.

 

„Dialogic Movement – Forum für zeitgenössische urbane Kultur“ fand am 5. Dezember 2015 im Radialsystem statt. Am 30. Januar 2016 wird über „Kampfkultur der Bühne“ gesprochen. Die Gäste: YZ/Yanka & Zid“ und „La Macana“ – Caterina Varela und Alexis Fernandéz