Privacy: Kunst oder doch Privatsache?

Privacy: Kunst oder doch Privatsache? Copyright: Kulturschoxx/Susanne Gietl

Eigentlich könnte man Realityshows im TV ganz abschaffen, denn Facebook ist schon längst zum Mittel der privaten Nabelschau geworden. Das niederländische Stück „Privacy“ im Hebbel am Ufer spielt damit. Aber will man das wirklich alles wissen? 

Das Private in der Öffentlichkeit

Stefan Schneider, der den Abend musikalisch begleitet, erläutert ausführlich den Weg zu seinem Wohnort. Das ist eigentlich egal, aber so hatte Schneider wenigstens auch einmal das Wort. Danach übernehmen Ward Weemhoff & Wine Dierickx, die im echten Leben seit sechs Jahren ein Paar sind.

Über unser wahres Ich

Auf der Bühne steht ein großer Kasten. Im Inneren des Kastens befinden sich ein Bett, ein Mann und eine Frau. Genaueres kann man nicht erkennen, da ein Vorhang aus dünnen Schnüren die Sicht verschleiert. Später wird man den Mann (Weemhoff) und die Frau (Dierickx) sehen. Wie Adam und Eva – nur ohne Feigenblatt. Eine hysterische Frau erscheint als Projektion auf dem Vorhang, der zur Leinwand geworden ist. Sie spricht über die Maske, mit der man sich selbst bekleidet. Unser wahres Ich bestehe nur aus Mist („our true mask is full of shit“).

Erstes Paar: Yoko Ono und John Lennon

Das Video ist zu Ende, ein Mann in einem langen weißen Leinenkleid mit wallender Mähne tritt auf die Bühne. „Imagine 1969…“ Er philosophiert über John Lennon und Yoko Ono, hin und wieder erklingen kurze Passagen aus Beatlessongs über die Liebe. Warum nur, warum seien sie immer nur als Paar aufgetreten? Er zieht sich zurück in den großen Kasten. Man sieht ihn und Yoko nun auf der „Leinwand“.

Im Bett für den Frieden

Ein kurzer Exkurs über john Lennon und Yoko Ono: Nach ihrer Hochzeit bleiben Lennon und Ono eine Woche lang für „Bed-In for Peace“ im Bett ihrer Honeymoon-Suite liegen. Jeden Tag luden sie die Presse für zwölf Stunden ein, ihnen Fragen über den Frieden zu stellen. Hinter ihrem Bett standen Blumen, über ihrem Bett hingen selbstgemalte Schilder mit Aufschriften wie „Bed Peace“ oder „Hair Peace“. Sie lebten ihre Liebe öffentlich. All dies erzählt uns die gelebte Installation auf der Bühne.

Im Bett für die Kunst

Szenenwechsel. „Cicciolina“, eine ungarisch-italienische Pornodarstellerin, Muse und Kurzzeit-Ehefrau des Künstlers Jeff Koons hüpft leichtbekleidet mit nervig-nöliger Stimme über die Bühne. Nach ein paar Worten über ihre Präferenzen von Politikern im Bett und ihre pornographische Kunstbeziehung mit Koons verschwindet auch sie im dunklen Bühnenzimmer. Sie fragen: „Is it love or is it art?“ Eine harmlose Frage im Vergleich zur folgenden: Ist es Kunst oder Privatsache?

Alles ist öffentlich

Wir befinden uns in der Jetzt-Zeit. Weemhoff und Dierickx stehen jeweils am anderen Bühnenrand. Beide sind nackt. Nur ein Blatt Papier bekleidet sie. Dierickx erklärt mit aufgerissenen Augen, wie es war, plötzlich dem nackten privat Weemhoff zu begegnen. Gesehen hatte sie ihn schon über 150 mal, aber nie im Privaten. Das Publikum lacht. Und Dierickx und Weemhoff plaudern nicht nur freizügig über ihr Sexleben.

Was bleibt ist nicht die Fremdscham, sondern die eigene Scham, sich das Stück mit all seinen Konsequenzen zu Ende gesehen zu haben. Es war eben doch Privatsache.

 

Weitere Informationen

„Privacy“ von De Warme Winkel und Wunderbaum wird im Rahmen der „Privacy“-Reihe im Hebbel am Ufer bis 24. April aufgeführt.