Werkschau: Mroués schmerzhafte Wirklichkeit

Titelbild: Ode to Joy. Copyright: Judith Buss. Auf dem Bild: Rabih Mroué und Lina Majdalanie

Der Künstler Rabih Mroué denkt öffentlich über Krieg nach. Heute beginnt im Hebbel am Ufer die Werkschau von Mroué und seiner Frau Lina Majdalanie unter dem Titel „Outside the Image Inside Us“. Es sind philosophische Werke über Tod, den Libanon, mediale Wirklichkeiten und Mroués Familie.

Videos als Ersatz der eigenen Sprache

Seine Mutter und sein Großvater wurden im Libanon getötet, sein Bruder Yasser von einer Pistolenkugel schwer verletzt. Er verlor seine Fähigkeit, zu sprechen und begann Videofilme zu drehen. In „Riding on a Cloud“ (2013) holt Mroué Yasser auf die Bühne. Ein bewegendes, aufwühlendes Stück.

Die Wirklichkeit als Vorlage

Auch „Who`s Afraid of Representation“ (2005) nimmt die Wirklichkeit als Vorlage. Mroué erzählt die Geschichte von Hassan Ma´moun, der in Beirut seine Kollegen erschoss. Er stellt dem Mord die Kämpfe einer Performancegruppe um Individualität gegenüber. Die zweite Aufführung scheiterte in Beirut fast an der Zensur durch libanesische Sicherheitskräfte. Nach langer Diskussion gab Mroué nach, weil es keine andere Möglichkeit gab, das Stück aufzuführen.

„Im Libanon zensiert zu werden ist sehr einfach. Was auch immer man sagt: Man wird zensiert. Deshalb möchten wir nicht darum kämpfen: weil der Kampf ein Kampf gegen das System des Landes ist. Man kann sich als Held, als Opfer darstellen. Das ist nicht unser Ziel. Wichtiger ist es, wie wir dem System begegnen. Es gibt Möglichkeiten, die Zensur zu umgehen.“

Seit  Jahren, so Mroué 2014, frage er nicht um Erlaubnis, ein Stück aufführen zu dürfen. Die Schere im Kopf ist ihm bewusst. Bei jeder Arbeit versucht Mroué die Schere im Kopf bewusst wahrzunehmen und an der eigenen, unbewussten Zensur zu arbeiten.

 

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Medial ist der Tote noch lebendig

In der Installation „33 RPM and a Few Seconds“ (2012) begeht Diyaa Yamout, ein junger politischer Aktivist im Libanon, während des arabischen Frühlings Selbstmord. Die Zuschauer blicken auf Yamouts Facebookprofil auf großer Leinwand. Sie verfolgen die Diskussion im sozialen Netzwerk, das Telefon klingelt. Während die mediale Wolke immer größer wird, erfahren sie immer mehr über den Toten. Auch das beruht auf einer wahren Begebenheit.

Mroué erklärt die Situation im Libanon nicht 

Mroué, der vor der Performance keinen Bezug zu Facebook hatte, sichtete gemeinsam mit seiner Frau Yamouts Account und sprach mit seinen Freunden. Der Wahlberliner arbeitet autoreflexiv. Er sieht sich nicht in der Position, Menschen die Situation im Libanon zu erklären:

„Es geht nicht darum, dem Publikum etwas beizubringen, sondern mit ihm einen Gedanken zu teilen. Ich hoffe, dass das Publikum nicht erwartet, etwas über den Libanon zu lernen. Wenn die Zuschauer nichts wissen, wird es danach immer noch so sein.“

Das Unwissen müsse nicht unbedingt von Nachteil sein. Das Publikum sei, so Majdalanie, verblendet durch den Bezug auf das eigene Leben und das eigene politische Engagement. Es fehle die Distanz, um zu sehen, was dahinter stecke:

„Er ist eine Illusion, zu denken, dass, wenn wir all die  Referenzen kennen, wir eine Sache, ein Buch, eine Performance oder was auch immer besser verstehen. Die erste Reaktion im Libanon ist immer: „Ist es die landläufige politische Meinung oder das Gegenteil?“ Das finde ich armselig.“

Die Verstorbenen zeigt Mroué nicht

Mroué und Majdalanie klagen nicht an, sie regen zur Diskussion an. Auf meine Frage, warum Mroué sich in seinen Werken zwar viel mit dem Tod auseinandersetze, die Verstorbenen aber nicht zeige, antwortete Mroué vor zwei Jahren:

„In den Medien zeigen sie uns neben dem Tod noch andere schreckliche Dinge. Wir wissen nicht, wie viel Realität in einem Bild steckt. Wir versuchen, in unseren Arbeiten über Sachverhalte zu reflektieren und sie nicht einfach nur darzustellen.“

 

Weitere Informationen

Die Werkschau „Outside the Image Inside Us“ von Rabih Mroué  und Lina Majdalanie (vormals Lina Saneh) findet von 30. März bis 3. April im Hebbel am Ufer statt. Folgende Werke werden gezeigt: „Looking for a Missing Employee“ (30. März), „Ode to Joy“ (30. und 31. März), „Probable Title: Zero Probability” (31. März), „Biokhraphia“ (1. April), „Riding on a Cloud“ (1. und 3. April), „33 RPM and a few Seconds“ (3. April, zwei Termine), „Make Me Stop Smoking – Presentation of Ideas Under Study“ (2. April), „Who`s Afraid of Representation“ (2. April). „Ode to Joy“ feiert seine Berlinpremiere.

Titelbild: Ode to Joy. Copyright: Judith Buss. Auf dem Bild: Rabih Mroué und Lina Majdalanie