„Wir stehen gerne an der Machtlinie“

Regisseurin Asli Özge. Copyright: Emre Erkmen
Regisseurin Asli Özge. Copyright: Emre Erkmen

Regisseurin Asli Özge lässt in „Black Box“ auf einem Hinterhof einen Mikrokosmos entstehen. In dem Spielfilm, der auf dem Filmfest München seine Premiere feierte, wird ein Hof abgesperrt. Niemand darf mehr in oder aus dem Hof. Es herrscht ein Ausnahmezustand. Der einzige, der die Lage überblickt, ist der neue Besitzer des Hofes, Herr Horn. Asli Özge über einen Hof, der als Parabel für ein ganzes Land steht.

Woher kommt die Idee für „Black Box“?

In ganz Europa werden konservative, rechte Kräfte immer stärker. In Deutschland ist es die AfD. Ich habe ein Bild für diese politische Struktur gesucht und dachte, dass ein Hof, wo verschiedene Kulturen und verschiedene Religionen zusammenwohnen, eine sehr gute Parabel dafür sein könnte. Der Hof steht metaphorisch für ein Land. Ich wollte in dem Hof eine Art Mikrokosmos entstehen lassen. Und dann habe ich mir Figuren dazu ausgedacht. Horn ist der Besitzer von dem Hof und herrscht über sein „Land“. Dann gibt es Leute, die ihn unterstützen, auch Ausländer sowie Immigranten.

„Auch wenn es später herauskommt, dass sie die Leute betrogen haben, werden diese Menschen trotzdem gewählt“

Bei einer Black Box bleiben die Emotionen und Gedanken im Verborgenen und sind auch nicht objektiv messbar. Ist das eine Anspielung auf unsere Politik- und Medienwelt?

Ja. Alles was in der gesamten Welt passiert, kreiert in unserem Kopf ein Bild. Auch die Medien kreieren Bilder, die uns beeinflussen. In der ganzen Welt kommen Leute wie Trump oder Putin an die Macht. Sie lügen und die Leute wissen das. Auch wenn es später herauskommt, dass sie die Leute betrogen haben, werden diese Menschen trotzdem gewählt. Wenn etwas Schlimmes passiert, versuchen sie, die Aufmerksamkeit in eine andere Richtung zu lenken, damit man die andere Sache nicht mehr sieht. Wir sehen diesen Diktatoren im Fernsehen zu und lernen, wie sie andere Leute austricksen. Ich wollte einen Film darüber machen, wie sich so etwas auf unseren Alltag auswirkt und was es bedeutet, diese Macht auszuüben.

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„Die Hausgemeinschaft in „Black Box“ zerbricht durch die eigenen Vorurteile“



Also sind Trump, Putin und Co. ein reales Vorbild für Horn…

Jemand wie Horn manipuliert die Hausbewohner mit derselben Taktik wie Trump oder Putin. Er macht nicht viel, er drückt nur die richtigen Knöpfe und benutzt auch die gleichen Wörter wie andere Machthabende und kommt so zu seinem Ziel. Nach und nach möchte er das Haus modernisieren. Außerdem will ich in „Black Box“ erzählen, dass der derjenige, der Macht hat und Macht ausstrahlt, gewählt wird. Wir stehen gerne an der Machtlinie, um davon durch mehr Geld, Sicherheit oder Schutz zu profitieren. Aber warum brauchen wir diesen Schutz? Weil wir uns durch unsere Vorurteile unsicher fühlen. Die Hausgemeinschaft in „Black Box“ zerbricht durch die eigenen Vorurteile. Ich würde mir wünschen, dass wir unsere Vorurteile beiseitelassen und nochmal frisch anfangen und unsere Mitmenschen mit einer neuen Perspektive akzeptieren, ohne gleich über ihre Herkunft nachzudenken.

Bisher haben wir über Gentrifizierung in Deutschland gesprochen. Wie sieht es in Istanbul aus?

In Istanbul ist Gentrifizierung ein Riesenthema, weil wir seit Jahren ein Erdbeben erwarten. Seitdem bereiten sich Menschen darauf vor. Auch die Gebäude werden danach ausgerichtet, außerdem müssen Menschen ihre Wohnungen verlassen. Mein Vater, der jetzt 95 Jahre alt ist, musste mit 90 Jahren aus seinem Haus ausziehen, weil es saniert wird. Ich bin in dem Haus aufgewachsen und deshalb habe ich beschlossen, einen Film darüber zu machen. Es wird eine Hybridform aus Doku und Spielfilm wie in „Men on the Bridge“. Ich habe alles genau verfolgt und gefragt, ob es wirklich um die Vorbereitung für Erdbeben geht, oder eigentlich um etwas ganz anderes. Ein Ausnahmezustand, der wieder instrumentalisiert wird.

Weitere Informationen

„Black Box“ läuft ab 10. August 2023 im Kino. Regie: Asli Özge. Mit: Luise Heyer, Felix Kramer, Christian Berkel, Anne Ratte-Polle, André Szymanski, Sascha Alexander Geršak, Jonathan Berlin, Inka Friedrich