Wenn Zensur Kunst wird

Ai Wei Wei mit Pass/ vom Instagramfoto abgezeichnet. Copyrght: Isa Lange/Stadtmaulwurf

Vor drei Tagen bekam Ai Weiwei seinen Pass zurück, aber es war eine lange Reise, um Chinas Vertrauen zurück zu gewinnen. Auch der iranische Regisseur Jafar Panahi kämpft mit Zensur. Er darf nicht mehr filmen, tuts aber trotzdem. Zwei Ausnahmekünstler im Porträt. 

Auf der Berlinale blieb ein Juryplatz leer. Jafar Panahi war als Jurymitglied des internationalen Filmfestivals nach Berlin berufen worden, doch zu dem Zeitpunkt wurde ihm ein Reiseverbot erteilt. Das war im Februar 2010. Im März des gleichen Jahres wurden er, seine Familie und der Filmemacher Mohammad Rasulof in Teheran verhaftet. Die Verhaftung sei nicht politischer Natur, hieß es zunächst. Im Jahr zuvor hatte sich der iranische Regisseur gemeinsam mit der „Grünen Bewegung“ gegen Irans zukünftigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gestellt. Panahi blieb drei Monate in Haft, zahlreiche international bekannte Regisseure und Schauspieler wie Robert Redford, Michael Moore, Steven Spielberg und Juliette Binoche protestierten gegen seine Verhaftung. Nach einem einwöchigen Hungerstreik kam Panahi für eine Kaution von 200.000 US-Dollar frei. Seinen Hausarrest thematisierte er 2011 in „Dies ist kein Film“ – trotz 20-jährigem Berufsverbot.

Regisseur und Fahrer Jafar Panahi © Weltkino Filmverleih
Regisseur und Fahrer Jafar Panahi
© Weltkino Filmverleih

Panahi schmuggelte, heißt es, das Regieprojekt mit Mojtaba Mirtahmasb auf einem USB-Stück in einem Kuchen nach Cannes.  Eher parabelhaft erzählte er 2013 in „Closed Curtain“ („Pardé“) – mit Kambozia Partovi als Co-Regisseur – von einem Mann mit einem Hund hinter vergitterten Fenstern. Hunde gelten in der muslimischen Tradition als große Ratten mit wedelnden Schwänzen und als unrein. Der Mann bekommt unerwartet von einer Frau und ihrem Bruder Besuch, der Bruder verschwindet. Im Hintergrund hört man Polizei. Später wandelt Panahi unter seinen eigenen Filmplakaten durch das Haus. Die Stimmung ist bedrückt, die Kommunikation läuft aneinander vorbei. Für „Closed Curtain“ bekam Panahi den silbernen Regie-Bären, dieses Jahr folgte der goldene Bär für „Taxi“ („Taxi Teheran“). Panahi filmte nicht selbst, sondern installierte mehrere Kameras in einem Taxi und ließ so Teherans Bevölkerung sprechen. Im Prozess am 20. Dezember 2010 wurde der iranische Regisseur aufgrund von „Propaganda gegen das System“ zu sechs Jahren Haftverurteilt, aber bisher nicht eingelöst.

Der Ausnahmekünstler Ai Weiwei hatte bis vor drei Tagen mit seinem Ausreiseverbot zu kämpfen. 2011 wurde Wei Wei wegen angeblicher Steuerhinterziehung von der Polizei festgenommen, nach 81 Tagen Haft wurde WeiWei freigelassen. Den Pass behielten die Behörden. Zwei Jahre später begann der Aktionskünstler mit einer Protestaktion. Jeden Tag legte er frische Blumen in den Korb eines Fahrrades, das vor seiner Tür stand. Es seien, so der Künstler, 600 Tage gewesen. Den Internethit „Gangnam-Style“ tanzte Ai Weiwei mit Handschellen nach und nannte seine Version übersetzt „Gras-Sumpf-Pferd“, als Anspielung gegen die Internetzensur der Regierung. Innerhalb weniger Stunden war das Internet in China blockiert.

Letztes Jahr fand im Berliner Martin-Gropius-Bau Weiweis weltweitgrößte Ausstellung unter dem Motto „Evidence“ statt. Überwachung, unterdrückte Individualität, chinesische Tradition und Modernisierungswahnsinn (abgeschliffene antike Möbel beispielsweise) waren die Hauptthemen der Ausstellung. Als größtes Ausstellungswerk bezeichnete er sein Ausreiseverbot: „Das ist ein Kunstwerk an sich. Das spiegelt eine menschliche Verfassung wider.“ Aktuell stellt Weiwei in mehreren Galerien Chinas aus, die Behörden informierte er auf Schritt und Tritt über seine Kunst. Am 22. Juli postete der chinesische Künstler auf Instagram ein Foto, indem er sich mit Pass zeigt. Aus rechtlichen Gründen habe ich mich entschieden, die gezeichnete Version der Bloggerin Isa Lange (Bei Twitter @Stadtmaulwurf) zu verwenden.