Wie man Schwerelosigkeit choreographiert

Jefta van Dinther. Copyright: Urban Jören
Jefta van Dinther. Copyright: Urban Jören

Jefta van Dinthers Arbeiten sind extrem physisch. „Plateau Effect“ gefiel der schwedischen Popsängerin Robyn so gut, dass sie ihn kurzerhand zum Abendessen einlud. Später bekam er von ihr den Auftrag, das esoterisch-kosmische Röyksopp-und Robyn-Video „Monument“ zu choreographieren. 

Jefta van Dinther, seit Dienstag kursiert das Robyn und Röyksopp-Video-„Monument“ im Netz. Welche Bewegungsidee steckt hinter dem Video?

Der Liedtext sagt aus, dass Dein Körper einen Raum kreiert und auch in Deinem Körper kreiert wird. Das Video zeigt eine interne und externe Reise. Es zeigt etwas, durch das man geht, wie eine emotionale Reise. Eine Art Selbstfindungsprozess gemeinsam mit den anderen fünf. Die Erfahrung selbst entsteht aus dir heraus, aber das gemeinsame Erleben macht sie universeller und kosmischer. Robyn, ich und ihr Freund Max Vitali, der auch Regie führt, entwarfen in einer Woche das Konzept. Wir dachten gemeinsam über die Bewegungen der Performer nach, auch darüber, wie wir die Langsamkeit des Stückes auf die Kameraeinstellungen übertragen können, um diese Schwerelosigkeit zu kreieren.

Ich erklärte ihnen, dass wir uns langsamer als die Musik bewegen und diese Langsamkeit betonen sollten. Dann zeigte ich ihnen das Stück „This is Concrete“, das ich vor zwei Jahren machte. Es hatte viel mit dem Fokus auf den inneren Körper zu tun. Ich konnte diese Erfahrung auf das Video übertragen.

Neben Robyn und Svein und Torbjörn alias Röyksopp bist Du und die Tänzerin Zoë Poluch zu sehen. Alle bewegen sich, als wären sie in einer Art Trance. Welche Anweisungen hast Du ihnen gegeben?

Diese Langsamkeit, die man im Video von Robyn sieht, ist auch die wahre Geschwindigkeit. Da wurde nichts nachbearbeitet. Diese träge, sinnliche und erforschende Beziehung zum eigenen Körper war etwas, zu dem ich kontinuierlich Anweisungen gab. Zuerst übten wir das sehr lange wie man so etwas macht. Nicht nur im eigenen Körper, sondern sogar im Gesicht. Wie man blinzelt, wie man die eigene Stimme mit einer gewissen Trägheit projiziert anstatt zu singen. Man macht es mehr für sich. Nicht für die Zuhörer. Ich gab viele Anweisungen, Parameter und Übungen vor, aber was sie genau machen, habe ich ihnen selbst überlassen.

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Bei „Tanz im August“ bist Du mit „Plateau Effect“ vertreten. Es ist Deine erste Arbeit für das Cullberg Ballet. Du arbeitest mit Tänzern, die Du nicht kennst und spielst für 600 oder mehr Zuschauer. Wie bist Du damit umgegangen?

Die Frage, die mich von Anfang an beschäftigte: Wie kreiert man eindrucksvollere und größere Gesten im Raum, die auch in die hintersten Reihen übermittelt werden können? Ich arbeitete mit Formationen auf der großen Bühne, aber das langweilte mich. Das ist der gewöhnliche Weg, mit Choreographien so zu arbeiten, so dass sich Dinge kompositorisch herauskristallisieren.

Dann fand ich dieses Stück Stoff, das sich durch das ganze Stück zieht. Es wird eine Art zehnter Tänzer. Die Interaktion mit diesem Stoff bringt Bewegung in den Stoff und die Tänzer. Die Stoffbahn ist mit 20 mal zehn Meter Länge ein riesiges und sehr ausdrucksstarkes Instrument. Außerdem beherrschen in Kontrast zu dem Stoff diese kleinen Figuren neben ihm die Bühne. Manchmal verschmelzen sie mit und in ihm.

Was ist der Plateau Effect?

Ein Plateau Effekt ist eine stabile Phase, beispielsweise im Fitnessstudio. Plötzlich wird man besser und schneller, die Muskeln wachsen und dann stabilisiert sich alles. Ich kreierte bestimmte Plateaus und Ebenen, in denen eine bestimmte Art von Betriebsamkeit herrscht, die sich nicht unbedingt mit der Zeit sehr verändert. Ich wollte das hier auf eine sehr ästhetische und ausdrucksstarke Art zeigen.

Gibt es einen Bezug zu Deinem Leben?

Das war nicht die Idee, die dahinter steckte. Retrospektiv betrachtet war ich persönlich an einem Punkt angekommen, an dem ich mich nicht so fühlte, als würde ich mich selbst wieder neu erfinden wollen. Ich hatte viele Arbeiten produziert und war viel auf Tour gewesen. Ich fühlte mich nicht so kreativ, dass ich etwas komplett Neues schaffen konnte. Natürlich wiederhole ich nicht das, was ich in anderen Arbeiten gemacht habe, weil dieser Kontext, diese Tänzer, diese Situationen, diese Bühne, dieser Text auch eine neue Dimension zur Verfügung stellt, aber die Art, wie ich arbeite, blieb.

„Am Ende musste ich mich in die Lage der Tänzer versetzen, um diese Dramaturgie zu kreieren“

Diesmal tanzt Du nicht selbst, sondern Du lässt tanzen. Was ist der Unterschied zwischen Teil der Performance zu sein und nur außerhalb der Performance zu stehen und als Choreograph zu arbeiten?

Ich mag diesen externen Blick, der mir eine gewisse Distanz gibt und es dadurch visueller macht. Wenn ich selbst tanze, dann choreographiere ich das Stück von Innen heraus. Hier war das nicht möglich und das machte den Prozess schwieriger. Am Ende musste ich mich in die Lage der Tänzer versetzen, um diese Dramaturgie zu kreieren.

Welche Rolle spielt Musik in Deiner Arbeit?

In vielen meiner Arbeiten haben Licht und Ton eine sehr aktive, integrative Rolle. In diesem Stück singen die Tänzer in den ersten Minuten ein Lied mit ihren Lippen. Anfangs sieht es so aus, als würde ein Tänzer das Stück wirklich singen, später wird es vervielfacht und man versteht, dass es nicht live gesungen wird. Noch später ist das Stück mehr wie eine Klanglandschaft, die Spannung ist sehr energetisch, auch trägt „Plateau Effect“ Musik von einer Clubnacht in sich, mit einer bestimmten Art von Raumklang. Stille gibt es nicht, der Komponist und Sounddesigner David Kiers war von Anfang an dabei. Wir kreierten das Stück gemeinsam.


„Der Klang bettet den Körper des Zuschauers in die Performance mit ein“


Warum ist diese Cluberfahrung so wichtig? Stimmt es, dass Du Ohrstöpsel verteilst?

Ich verteile keine Ohrstöpsel, aber einige Veranstalter verteilen welche. Ich bin dagegen, weil das Stück nicht so laut ist. Es ist als Bühnenstück laut. Die Lautstärke und der Effekt des Sounds in Bezug zur Bewegung des Körpers ist etwas, dem man nicht widerstehen kann. Ich wünsche mir, dass das Publikum eine synästhetische Erfahrung macht und ein Gefühl für den eigenen Körper bekommt. Der Klang bettet den Körper des Zuschauers in die Performance mit ein. Die Vibrationen gehen durch die Körper. Der Klang überbrückt die Distanz zur Bühne.

Einige erwarten von Dir das nächste große Ding. Wie gehst Du mit dem Druck um?

Ich weiß es nicht. Ich versuche immer, dem Nahe zu sein, was ich will. Natürlich höre ich, was die Leute sagen, aber ich widerstehe dem, auf den Zug aufzuspringen. Ich lehnte schon größere Jobs von anderen Institutionen ab, weil ich fühlte, dass ich vorsichtig zu sein muss. Ich möchte nicht als Choreograph enden, der eine bestimmte Art von Arbeit in einer bestimmten Größe und in einer bestimmten Company macht. Ich liebe es, an intimen Orten für 100 Leute zu arbeiten oder an der Volksbühne für 700 Leute. Ich möchte die Freiheit besitzen, meine Projekte selbst zu entwerfen, weil ich es möchte und nicht in Bezug darauf, was ich in Bezug auf den Markt tun sollte.