„Man hört nur noch seinen Atem“

Edward Berger und ich kurz nach dem Interview
privat

Regisseur Edward Berger macht in „Konklave“ die Welt des Vatikans nahbar. Im Interview erzählt er, wie er, aufgebaut auf Klängen und Ralph Fiennes Atmen, ein klaustrophobisches Gefühl kreiert.

Die Papstwahl wird zum Politthriller. Wie sind Sie vorgegangen?
Ich wollte das politische Geschehen in der Welt in den unterschiedlichen Positionen unserer Kandidaten widerspiegeln. So wie sich die Kardinäle verhalten, könnte das in jeder anderen Institution auch stattfinden. Bei uns ging es um machtpolitische Themen: Was löst das in Menschen aus, wenn so ein Stuhl der Macht plötzlich vakant wird? Wie holen die Menschen ihre Messer heraus und stoßen sich gegenseitig in den Rücken? Das Konklave ist natürlich interessant, weil es so mysteriös und sagenumwoben ist.

Haben Sie das Mysterium gelöst?
Wir haben natürlich versucht, hinter die Kulissen zu schauen, mehr darüber zu erfahren. Kardinäle erzählen uns natürlich nichts über das Konklave, aber der Religionslehrer an meiner Seite wusste einiges. Er wusste, wie die Wahl von statten geht und er kannte das Prozedere, wenn der Papst stirbt. Diese Rituale haben wir möglichst naturgetreu und authentisch eingefangen – mit der Lizenz zu fiktionalisieren.

„Man denkt: Die Wände haben Ohren.“

 

Sie arbeiten bei den Kardinälen mit sehr kräftigen Farben, vor allem mit sehr knalligem Rot. Wie haben Sie die Bildsprache gefunden?
Pate für den Film, den Stil, die Atmosphäre, war Alan J. Pakula („Die Unbestechlichen“, „Zeuge einer Verschwörung“). Er hat paranoide Verschwörungs-Thriller in den 70ern gedreht, die mich einfach packen. Ich mag die Präzision darin. Architektur und Schnitt spielen eine große Rolle in den Kompositionen seiner Filme. Das Tempo ist eher langsam, aber man denkt: die Wände haben Ohren. Pakula ist ein wenig dafür verantwortlich, wie der Film geworden ist.

Aber das kräftige Rot, das die Kardinäle tragen, haben Sie ausgewählt…
Wenn man alte Renaissancebilder oder Fotos aus den 50er oder 60er Jahren sieht, dann haben die Gewänder ein tiefes Rot und einen schweren Stoff. Das Rot der Kardinäle heutzutage ist allerdings nicht so schön. Der Stoff mutet ein wenig billig an und geht eher ins Orange. Die Kostümbildnerin Lisy Christl und ich wollten aber ein Gefühl von Reichhaltigkeit kreieren. Das bekommt man aber nur, wenn sie den Stoff dafür auswählt und die Kostüme schneidert.

Welche Erkenntnis haben Sie durch die Arbeit am Film gewonnen?
Es war schön, diesen Film in Rom zu machen. Man wacht morgens auf, trinkt seinen Espresso, schaut aus dem Fenster und denkt: Oh, da ist eine Nonne, die raucht, und da sind zwei Priester, die trinken Espresso oder ein Bischof geht mit einer Aktentasche aus dem Haus. Wir erheben die Geistlichen immer auf ein Podest und meinen, sie hätten das Geheimnis des Lebens erfasst, aber sie sind einfach nur Menschen wie Du und ich. Mit Fehlern, Sünden, Reuen und Schwächen. Der Papst endet in unserem Film deshalb auch in einem Plastiksack hinten in der Ambulanz. Dieses Gefühl hatte ich ursprünglich nicht auf dem Zettel. Es hat den Film aber stark beeinflusst.

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„Der großen ekklesiastischen Architektur der Kapelle steht nun die Casa Marta als oppressives, fast düsteres Gefängnis gegenüber.“

Für den Dreh haben Sie die Sixtinische Kapelle nachgebaut, auch die Casa Santa Marta, wo die Kardinäle untergebracht sind, ist nicht original. Wie sind Sie vorgegangen, um mit Suzie Davies die Kulisse zu kreieren?
Wir haben uns den Vatikan natürlich genau angeschaut, aber Unterstützung oder Drehorte bekommt man von dort nicht. Demnach haben wir uns von unseren Ausflügen inspirieren lassen und es im Anschluss fiktionalisiert. Zum Beispiel: Ich wusste, die Sixtinische Kapelle werden wir bauen müssen, weil dort der Wahlvorgang stattfindet. Das Casa Santa Marta, eine Art Hotel, in dem die Kardinäle untergebracht werden, ist in der Realität aber sehr hässlich. Es passte thematisch nicht in unseren Film, warum sollte ich es also nachbauen? Der großen ekklesiastischen Architektur der Kapelle steht nun die Casa Marta als oppressives, fast düsteres Gefängnis gegenüber. Der Ort sollte etwas Enges, Klaustrophobisches an sich haben. Wenn Ralph Fiennes die Tür zu seinem Zimmer schließt, saugt es den Ton aus dem Raum. Man hört nur noch seinen Atem und das Summen des Neonlichts. Den Rest haben wir in Höfen, Palästen und Museen in Rom gedreht. Nach und nach haben wir uns so unseren Vatikan gebaut.

Ralph Fiennes ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Er spielt Kardinal Lawrence, der den Wahlvorgang leitet und später Nachforschungen anstellt. Man folgt seinem Blick, seinen Augen. Wie haben Sie mit Fiennes zusammengearbeitet?
Ralph und ich waren vor dem Dreh häufig Essen und haben uns Schritt für Schritt durchs Drehbuch geblättert. Wir haben uns gefragt: Was wollen wir von dieser Szene? Was ist mir hier wichtig und was Dir? Wir haben Ideen ausgetauscht, was wir erzählen wollen und um welches Gefühl es uns dabei geht. Diese Gespräche bestimmen enorm, wie man eine Szene einfängt.

„Wenn Ralph Fiennes die Tür zu seinem Zimmer schließt, saugt es den Ton aus dem Raum.“

 

Wie haben Sie auch durch den Ton sichergestellt, dass man seiner Figur folgt?
Ich finde Ton, vor allem präzisen Ton, absolut elementar für unsere Wahrnehmung eines Films. Ich habe lange daran gearbeitet, dass man immer bei Ralph ist, wir hören streckenweise nur seinen Atem oder das Rascheln des Gewands. Im Kontrast dazu bricht von Zeit zu Zeit die Welt von außen ein. Die Augen der Welt sind auf das kirchliche Parlament gerichtet, das für einen kurzen Augenblick demokratisch wählt, um danach wieder zu einer Diktatur zu werden. Draußen ist es laut, dann sind wir in den Räumen, wo eine eiserne Stille herrscht. Und dann hört man wieder nur den Atem.

Ralph Fiennes Atem..
Als Ralph das erste Mal den Film im Nachvertonungsstudio gesehen hat, haben wir zwei Stunden nur seinen Atem aufgenommen, wobei er auf seine Figur auf der Leinwand reagiert. Das haben wir dann im Film benutzt, um ihn in jedem Moment zu fühlen. Wallender Stoff, Schritte auf Marmor… Gerade in der Stille sind diese einzelnen Töne wahnsinnig wichtig.

Die Musik hat Volker Bertelmann kreiert, mit dem Sie zum fünften Mal zusammengearbeitet haben. Was war Ihnen da wichtig?
Wir wollten keine Filmmusik, wie sie traditionell so oft verwendet wird. Sie sollte sich mit dem Bild reiben, sie sollte Schläge versetzen, die uns fast anspringen und attackieren. Musik kann ein Mittel sein, um einen Dialog mit dem Bild zu schaffen, einen Kontrast, der mich aufweckt und eine innere Spannung kreiert. Durch die Musik sollte man verstehen, was im Inneren von Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes) vorgeht.

Weitere Informationen
Auf Basis des Interviews habe ich eine Kritik im nd verfasst.
„Konklave“, UK/USA 2024. Regie: Edward Berger; Buch: Peter Straughan & Robert Harris, basierend auf dem Roman von Robert Harris. Mit: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rosselini. 120 Minuten. Start: 21. November.

Hier geht’s zur Interviewseite, dort gibt`s unter anderem ein Interview mit Ridley Scott.