„Beim Fotografieren tendiere ich zur dunklen Seite“

„Beim Fotografieren tendiere ich zur dunklen Seite“

Heute vor 60 Jahren starb die Filmlegende James Dean. Seit letzter Woche läuft Anton Corbijns Drama „Life“ rund um den James Dean-Fotografen Dennis Stock im Kino. Im Gespräch verrät der Regisseur, warum Robert Pattinson nicht James Dean, sondern Dennis Stock spielt und wie sensibel er im Film mit Anspielungen auf James Deans nahenden Tod umgeht.

Anton Corbijn, nach dem Joy Division-Biopic richtet sich der Fokus bei „Life“ erneut auf einen Außenseiter der Popkultur. Was inspiriert Dich an den beiden Außenseitern so?
Ian Curtis war ein Teil meiner eigenen Geschichte. Ich kannte ihn persönlich. Den Vergleich zwischen beiden sehe ich nicht. Sie starben aus unterschiedlichen Gründen und hatten ganz unterschiedliche Denkweisen. Ich machte diesen Film nicht wegen James Dean, sondern wegen Dennis Stock und dieser Beziehung eines Fotografen zu seinem Objekt. Es sind nur zwei Wochen aus dem Leben dieser zwei Menschen, deshalb fühlt sich es sich weniger als Biopic an. Das finde ich schön, weil dann nicht die Schwere eines Biopic  über ihm schwebt.

Dane DeHaan spielt in „Life“ zwar James Dean, aber Robert Pattinson wird gerne mit Dean verglichen. Wie wichtig ist diese Spiegelung?
Ich sah Rob nie als James. Er ist meiner Meinung nach viel zu sauber, um James Dean zu sein. Ich sah Rob als Typen, der eine innere Zerrissenheit in sich trägt. Er ist ein Schauspieler, der nach „Twilight“ beweisen will, dass er schauspielern kann. In „Life“ spielt er einen Fotografen, der beweisen will, dass er ein Fotograf ist. Ich dachte, das passt. Viele Menschen denken, dass es ein Film über James Dean ist und denken, dass Rob James Dean spielt. Beide sind gleich lang und gleich oft auf der Leinwand zu sehen, emotional bleibt man bei beiden. Sie beide sind Hauptdarsteller. Es ist nicht wirklich ein Film über James Dean.

Wie sehr konzentriert sich der Film auf den Mythos James Dean?
Der Film wird „Life“ genannt, aber ein Element, das immer über dem Film schwebt, ist der Tod. Man weiß, dass James Dean sterben wird, aber wir spielen damit nicht so sehr. Wir verzichteten auf Dennis Stock` Foto von James Dean im Sarg, weil wir dachten, dass das zu offensichtlich wäre.

Was ist für den Mythos von James Dean verantwortlich?
Seine Filme. Er hinterließ drei großartige Ergebnisse und starb dann. Es waren drei Filme innerhalb eines Jahres: „East of Eden“ („Jenseits von Eden“) kam im März raus, dann machte er „Rebel Without a Cause“ („Denn sie wissen nicht, was sie tun“) und „Giant“ („Giganten“) bevor er starb. Er konnte dem Mythos nicht entfliehen. Die Fotografien sind nur ein weiteres Element.

Im Film sprechen Dennis Stock und James Dean davon, dass sie sich gegenseitig helfen. Wer profitiert mehr von dem anderen?
Definitiv der Fotograf. Du denkst, Du bist auf dem gleichen Level und Du denkst, Du machst das, um dem anderen zu helfen, aber in Wirklichkeit hilft er Dir. Im Allgemeinen, wenn man jemanden von öffentlichem Interesse fotografiert, dann profitiert der Fotograf mehr davon. Ich denke, es gab definitiv auch Musiker, die ich unterstützte, aber ohne ihre Talente hätte es nicht funktioniert. Ich machte sie für eine größere Gruppe von Menschen erreichbar.

Du arbeitest selbst als Fotograf. Hast Robert Pattinson spezielle Anweisungen gegeben, wie er fotografieren soll?
Ja. Ich gab Robert Pattinson Monate vor dem Dreh eine Kamera, damit er sich daran gewöhnen kann. Er sagte, dass er fotografiert hat, aber ich habe mir die Fotos von Robert nie angesehen.

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Findest Du Dich in Dennis Stocks Herangehensweise wieder?
Die Beziehung zu den Menschen, die man fotografiert, ist sehr spannend, weil Du am Ende Teil der Familie bist und die Fotografien in Situationen machst, in denen normalerweise niemand Fotos machen darf. Es ist einfacher, wenn du mit Menschen arbeitest, die Du magst und mit denen Du befreundet bist. Ich habe das oft so gemacht. Es fühlt sich sehr gegenwärtig an, das Leben ist schöner und die Fotos besser.

Was war bei der Umsetzung des Filmes besonders wichtig?
Wir wollten etwas kreieren, das nicht wie Fotografien von Dennis Stock aussieht. Wenn man das macht, dann wirkt es so, als ob das, was Dennis Stock gemacht hat, einfach wäre. Wir sprachen auch darüber, den Film in schwarz-weiß zu realisieren, aber dann hätten die Bilder wie Fotos von Dennis Stock ausgesehen und so, als ob jeder so ein Foto hätte machen können. Wir wollten, dass man versteht, wie bestimmte Fotografien entstanden sind und nicht, dass das gefilmt wird, was man auch fotografieren könnte.

Siehst Du Dich in erster Linie immer noch als Fotograf?
Meistens bin ich recht introvertiert. Fotografie ist ein sehr einsamer Beruf. Beim Film arbeitet man mit anderen Menschen an einem gemeinsamen Ziel. Das ist gut für mich, weil ich beim Fotografieren zur dunklen Seite tendiere. Vielleicht bin ich jetzt auf dem Scheideweg.

Informationen

Anton Corbijn wurde am 20. Mai 1955 als Sohn eines Pfarrers geboren. Bevor Anton Corbijn 2007 mit dem Joy Division Biopic „Control“ sein erstes Filmprojekt annahm, arbeitete er bereits als Popfotograf und Regisseur von Musikvideos mit U2, Metallica, Depeche Mode, Herbert Grönemeyer, Travis, James Last oder Therapy? zusammen. Corbijn war einer der letzten Regisseure, der für „A Most Wanted Man“ (2014) mit dem am 2. Februar 2014 verstorbenen Schauspieler Philip Seymour Hofman drehte. Am 24. September 2015 erscheint mit „Life“ sein vierter Langfilm. In „Life“ entdeckt Jungfotograf Dennis Stock den aufstrebenden Schauspieler James Dean. Corbijn setzt den Fokus auf die Entstehung eines Fotos und nicht auf den nahenden Tod der Filmlegende.