Das Leben schreibt die traurigsten Geschichten, Regisseur Kuro Tanino erzählt sie. In „Fortress of Smiles“ beobachtet Tanino zwei Männer, die Wand an Wand wohnen. In leisen und lauten Bilden setzt er Bilder von Leben, Zusammenhalt und Krankheit beim FIND in der Schaubühne in Szene.
Parallele Welten
Man sieht zwei Männern beim Leben zu, blickt in ihre einfach eingerichteten Wohnungen. In der einen Wohnung lebt der Fischer Ashida, der seit 35 Jahren tagein, tagaus aufs Meer schippert, in die andere Wohnung zieht Fujita ein, der seiner dementen Mutter einen schönen Lebensabend bereiten möchte. Während Fuijita sich fast lautlos aufopferungsvoll um seine Mutter kümmert, lässt es sich Ashida, der nicht weiß, was Demenz ist, nebenan mit seinen trinkfreudigen Kumpels gut gehen. Die zwei, später drei Männer stoßen Abend für Abend auf die harte Arbeit an, essen frisch gefangenen Fisch und trinken weiter. Eine gesellige Runde, die, als ihr Nachbar nach Tagen an der Tür klopft, ihn gleich in ihre Runde aufnehmen. Einen kurzen Augenblick spürt er ihr Glück.
Veränderte Beziehungen
Kuro Tanino stammt aus einer Familie von Psychiatern, er ist selbst ausgebildeter Psychiater. In „Fortress of Smiles“ zeigt er mit viel Feingefühl, wie sich Beziehungen von Personen immer wieder ändern. Zum Beispiel das Verhältnis von Fujita zu seiner Tochter.
Nur widerwillig besucht Fujitas Tochter ihre Oma. „Was sind wir überhaupt für Oma?“ fragt sie, während Fujita noch immer an dem Gedanken festhält, dass seine Mutter doch gar nicht so krank sei. Als die Oma ihr Kleid ruiniert, weil sie mit dem Essen rumspielt, ist sie wütend. Als die Oma das Klopapier aus der Toilette nimmt und auf dem Boden verteilt und die Oma auf die Tochter belustigt ein Getränk auskippt, setzt sie ihre Oma bei strömendem Regen wie einen Hund vor die Tür. Der Nachbar beobachtet das traurige Treiben.
Fast bildgleich
Vergeht ein Tag, legt sich eine schwarze Leinwand vor die Bühne und es ertönt beschwingte Western-Countrymusik. Die Tage des Fischers sind ähnlich und doch nicht gleich. Mal regnet es, mal scheint die Sonne. Den Regen hört man, die Sonne strahlt durch die kleinen Fenster der Wohnung. Die Tage verstreichen, die Handlung schreitet voran. Manchmal spielen sich Wand an Wand ähnliche Szenen ab. Wenn zum Beispiel Fujitas Tochter merkt, wie Fujita unter all der Last fast zusammenbricht wird zeitgleich ein junger Fischer für Ashida sorgen. Und so stehen die beiden jungen Menschen am Herd und kochen fast bildgleich. Während Fujita sich am Abend selbst „Der alte Mann und das Meer“ vorliest, sieht sich Ashida allein einen Westen mit Clint Eastwood im Fernsehen an. Clint Eastwood nennt er später, als er sich mit einem der Fischer unterhält „Clinston“ oder auch „Clinton“. Noch lacht er darüber.
Der Schlüssel von „Fortress of Smiles“ liegt darin, dass sich Kuro Tanino Zeit für seine Figuren nimmt, so macht er sie spürbar und lässt das Publikum miterleben, was auf der Bühne geschieht.
Weitere Informationen
„Fortress of Smiles“ wurde im Rahmen vom FIND – Festival Internationale Dramatik am 22. und 23. April 2023 bis in der Schaubühne aufgeführt.
Mit: Hatsune Sakai, Kazuya Inoue, Koichiro F. O. Pereira, Masato Nomura, Masayuki Mantani, Natsue Hyakumoto, Susumu Ogata Inspizienz: Masaya Natsume, Yuhi Kobayashi
Regieassistenz: Haruka Kikuchi, Kodachi Kitagata. Ausstattung: Takuya Kamiike. Licht: Masayuki Abe. Ton: Koji Shiina. Tour Manager: Chika Onozuka, Shimizu Tsubasa. Produktion: Niwa Gekidan Penino, Arche LLC. Übersetzung: The Japan Foundation. Deutsche Übersetzung: Andreas Regelsberger. Englische Übersetzung: Susan E. Jones. Koproduktion: Arts Council Tokyo, ONDA (Paris), Fondation pour l’étude de la langue et de la civilisation japonaises (Paris), Sasakawa Foundation Japan (Tokyo)
Gefördert durch die Freunde der Schaubühne am Lehniner Platz e. V.