Verbrannter Toast schmeckt nicht. Er hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, vielleicht wird einem auch ein bisschen übel. All das trifft auf Susie Wangs gleichnamiges Theaterstück zu, welches das norwegische Kollektiv im Rahmen des FIND – Festival Internationale Neue Dramatik aufführte. Was relativ harmlos beginnt, entpuppt sich als knalliges „Splatter“-Theater mit Horror-Sound (von Martin Langlie) ein bisschen Magie.
Verzögerter Horror
„Burnt Toast“ spielt irgendwo in den Südstaaten. Während Rezeptionistin Betty in den Computer tippt, betritt Danny Iwas (Kim Atle Hansen) die Lobby. Er will bei Betty einchecken, was sich als relativ schwierig erweist, denn er hat eine silberne Aktentasche an sein Handgelenk gekettet. Die flirtwillige Betty (Julie Solberg) nimmt mit schnörkeligen Buchstaben seine Registrierung vor. Was „Burnt Toast“ so genial macht, ist die Art und Weise, wie der Horror eingeführt wird. Denn obwohl die erste Szene recht belanglos ist, wird Dannys erstem Auftritt, ein unheilvoller Klang hinzugefügt, wenn der Aufzug sich öffnet und schließt. Doch der Horror lässt auf sich warten.
Es passiert das Unmögliche
Danny stiefelt in feinstem Stadt-Cowboyoutfit nur zur Rezeption. Danach passiert so gut wie nichts, aber dafür in der trashig-schmalzigsten Art und Weise. Betty beschreibt ihm beim CheckIn, welcher Aufzug nach oben (der linke Aufzug) und welcher nach unten (der rechte Aufzug) fährt: „genau so wie die Sonne“, wie er zu seinem Zimmer komme, das sich links befinde: „dort, wo sich Ihr Herz befindet“. Er kommt zurück und sein Blick fällt auf Violet (Mona Solhaug), die in der blutroten Lobby auf einem der pfirsichfarbenen Sitzsäcke Platz genommen hat. Sie stillt ihr Baby und nippt an einem Drink aus gequirltem Ei. Danny gesellt sich zu ihr. Nach ein bisschen Smalltalk fällt Violet auf, dass Danny ihrem Baby sehr ähnlich sieht. Danny hingegen starrt das Baby an. Es blutet aus der Nase.
Ein bisschen Kino der Überschreitung, ein bisschen Zauberei
Susie Wang* macht aus Nasenbluten oder einer offenen Wunde vom Kaiserschnitt éin Spektakel. Dannys Sucht nach Blut wird immer deutlicher und schließlich wird auch Betty Opfer von Danny oder wird es Violet sein? Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Auch nicht, was sich in Dannys Koffer befindet. Susie Wang spielt mit dem Publikum, indem sie Hinweise gibt. Weder Dannys Nachname „Iwas“ ist Zufall, noch der Name von Violets Baby „Miracle“. Blut wird gluckern, spritzen, fließen und jemand wird ein Messer zücken. Dennoch wird die Person es nicht so verwenden, wie man denken möchte. Das ist das geniale an Susie Wangs Horrortheater. Sie macht das unmögliche möglich. Ob man es sehen will, oder nicht. Es erinnert an das „Kino der Überschreitung“. („Cinema of Transgression“). Dann passieren wieder surreale, skurrile Momente ganz ohne Horror, die wie die zufällig auftretenden Hotelgäste die Erzählung zwar nicht wesentlich vorantreiben, aber amüsieren.
Währenddessen trägt eine tragende, leicht verzerrte Melodie die Liebesgeschichte eines ungewöhnlichen Pärchens und Susie Wang lässt Betty zu einer Art Superwoman in pink mutieren. Gerade, als man sich an die Bilder auf der Bühne gewöhnt hat, packt Susie Wang ihre Bühnentricks aus. Sie lässt Danny fast ganz in Violet verschwinden und später Danny, Violet und Betty in dem kleinen silbernen Koffer, bis sich sich schließlich die Bühne wieder im Ursprungszustand befindet. Bei „Burnt Toast“ sollte man auf keinen Fall nach dem Sinn der Geschichte fragen, sondern sich der blutig-guten Unterhaltung hingeben.
Weitere Informationen
Randnotiz: „Burnt Toast“ ist der letzte Teil einer Horrortrilogie von Susie Wang über die menschliche Natur. Hin und wieder streut Susie Wang Hinweise zu ihren anderen Stücken ein. Wenn zum Beispiel Danny erklärt, dass er im Museum geboren wurde, bezieht sich die Kompagnie auf „Mummy Brown“ (2018), den zweiten Teil der Trilogie, der in einem karg eingerichteten Museum spielt. Vielleicht verweist auch Dannys Albtraum, in dem er von wilden Tieren angegriffen wird, auf „The Hum“ (2017), der am Strand spielt?
*Aus Lesbarkeitsgründen behandele ich das Kollektiv Susie Wang als eine Person.
„Burnt Toast“ feierte seine Berlinpremiere am 20. April und wurde bis 22. April im Rahmen des FIND – Festival Internationale Neue Dramatik aufgeführt. Das FIND findet von 19. April bis 30. April statt. Empfohlen wird das Stück ab 16 Jahren.
Mit: Kim Atle Hansen, Julie Solberg, Mona Solhaug, Phillip Isaksen, Fanney Antonsdottir. Bühnentechnik: Jon Løvøen, Simen Ulvestad, Viola Hamre. Text und Regie: Trine Falch. Ausstattung: Bo Krister Wallström. Musik und Sound Design: Martin Langlie. Licht: Phillip Isaksen. SFX: Fanney Antonsdottir. Konstrukteure: Antti Bjørn, Jon Løvøen. Sprachberatung: Dean Clark. Sarah Valentine Koproduktion: Black Box teater (Oslo), Kilden Performing Arts Centre (Kristiansand)
Mit Unterstützung vom Arts Council Norway, The Audio and Visual Fund, The Association of Norwegian Visual Artists, Ministry of foreign affairs/Performing Arts Hub, Norway