Tanz im August 2022: Unwirklichkeiten

La Veronal: Sonoma. Copyright: Albert Pons
La Veronal: Sonoma. Copyright: Albert Pons

Zwei Meister der Unwirklichkeiten bereichern „Tanz im August“ auch dieses Jahr. Während Jefta van Dinther in „Unearth“ das Unwirkliche im Menschen sucht, setzt La Veronal in „SONOMA“ auf surreale Bilder.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Marcos Moraus Kompagnie La Veronal lässt sich in „SONOMA“ von dem avantgardistischen Filmemacher Luis Buñuel inspirieren. Buñuel, der in seinem Debüt „Der andalusische Hund“ jedes Bild ablehnte, das er rational erklären konnte, weichte die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit auf. Auch Morau kreiert surrealistisches Kino.

Eine Frauenstimme ruft singend (zum Gebet auf?), während langsame Trommeln einsetzen. Im Halbdunkeln sausen neun Frauen in weiten Kleidern wie ferngesteuert über die Bühne, die Arme halten sie steif am Rock. Langsam finden sie zur Mitte, wo ein hölzernes Kreuz liegt. Sie flüstern, liebkosen das Holz.

Verfremdete Bergpredigt

Eine der Tänzerinnen spricht die ersten Sätze der Bergpredigt „Selig die Armen im Geist, denn ihnen gehört das Himmelreich“, „Selig sind die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“. Dann verändert sie den Text, spricht von Hungernden, Schiffbrüchigen, Blinden und Überlebenden der Kriege. Das Gebet ist mehr eine laute Wehklage, die in dem lauten Läuten von Kirchenglocken endet.

Das größtenteils schwarz-weiß inszenierte Stück entzieht sich einer Deutung. Frauen, deren Köpfe durch schwarze Tücher verhüllt sind, zwei Greisinnen mit riesigen Köpfen und eine lange Figur geben Rätsel auf, die nicht gelöst werden.

Menschliche Schwärme

Die Trommeln, der Gesang und die konzertierte, fast marionettenhaften Bewegungen der Performerinnen sind bis ins kleinste Detail durchkomponiert. Ihre Körper sind oft synchron, bilden menschliche Körperwellen, pendeln hin und her, manchmal wirbeln sie umher, um sich kurz darauf wie Tiere neu zu organisieren.

„SONOMA“ ist der schlaflose Traum von Licht und Schatten, der sich erst durch das laute Klingeln eines Weckers auflöst. In diesem Fall erinnern uns die immer lauter werdenden Trommeln an die vergangenen 75 Minuten, in denen wir staunend das Geschehen verfolgten.


zur Kritik von Jefta van Dinthers „Unearth“

Weitere Informationen

„SONOMA“ von La Veronal wurde von 11. bis 13. August im Rahmen von Tanz im August gezeigt. Das Festival dauert noch bis zum 27. August 2022.