Rita Mazzas Performance „The Voice“ thematisiert die Beurteilung der eigenen Stimme. Ein Gespräch über die Freiheit, Geräusche von sich zu geben und laute Missverständnisse.
In der Performance stehen Normvorstellungen von menschlichen Geräuschen im Mittelpunkt. Welche Berührungen hattest Du damit?
Einen sehr wichtigen Teil von „The Voice“ bilden meine Erinnerungen und Erfahrungen als Person, deren Erstsprache die italienische Gebärdensprache ist. In einer Szene stelle ich das Atmen in den Fokus. Einige Zuschauende könnten vielleicht denken: „OK, das geht in Richtung Orgasmus.“ Wie man die Atmung interpretiert, erschließt jede:r im Publikum für sich. Ich arbeite mit der Stimme und dem Mund. Es kann jederzeit kippen. Mir wurde mal gesagt: „Das macht mich an (Auf Englisch: „that turns me on,“), wenn Du deine Stimme nutzt.“ Das fasst meine Erlebnisse gut zusammen.
Welche Geräusche kommen vor?
(Rita geht kurz aus dem Raum, um ein mit Wasser gefülltes Glas und einen Strohhalm zu holen. Die Performer:in pustet mit dem Strohhalm in das Glas und es entstehen Blubbergeräusche.)
Hier habe ich ein Glas, das ich mit Wasser gefüllt habe. Darin blase ich Luft und mache Blubbergeräusche. Eigentlich war das nur mein Warmup für die Performance. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die Szene zum Stück gehört. Das erwarten die Menschen eher nicht, wenn sie in den Raum kommen.
„In anderen Stücken habe ich Ohrstöpsel verteilt“
Werden die Hörenden in „The Voice“ an die Hand genommen?
„The Voice“ ist schon eher auf ein hörendes Publikum ausgerichtet. Es sind zusätzlich zu den Beschreibungen meiner Gedanken und der Geräusche Sounds mit inbegriffen. Die Performance ist für alle barrierefrei. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sich mir näher fühlt durch die Geräusche, die ich von mir gebe. In anderen Performances habe ich Ohrstöpsel verteilt, damit keiner etwas hört. Hier ist es genau andersherum.
„Ich halte mich als gebärdensprachlich sozialisierte Person in einer hörenden Welt zurück“
Was hat sich für Dich durch die Arbeit an der Performance verändert?
Es gibt gewisse Normen, was wir für Körpergeräusche machen und welche Geräusche wir von uns geben dürfen und was zu laut ist.
(Rita hält sich den Arm vor den Mund , pustet auf den Arm, wie Kinder das machen, um Fürze zu imitieren)
Ich halte mich als gebärdensprachlich sozialisierte Person in einer hörenden Welt zurück, deswegen atme ich schnell oder bin nicht hörbar. Ich mache keine Blubbergeräusche oder Ähnliches. Dieses Stück gibt mir die Freiheit, mich zu öffnen. Ich übe das für mich erstmals auf der Bühne, diese Freiheit zu haben.
Das Interview wurde in deutscher Laut- und Gebärdensprache geführt, die Verdolmetschung fand durch Stella Papantonatos & Alma Arnoul statt.
Weitere Informationen
„The Voice“ wurde von 28. bis 30. August 2024 im Rahmen von „Tanz im August“ in den Sophiensaelen gezeigt.
Lichtdesign: Raquel Rosildete, Bühnenbild & Video: Camille Lacadee, Dramaturgie & künstlerische Mitarbeit Barrierefreiheit: Noa Winter, Sophie Guisset, Kostümbild & Animationsgrafik: Evan Loxton, Beratung zu Bewegungsqualität & Choreografie: Gabriel Galindez Cruz, Kollaboration Tanz & Choreografie: Maria Giulia Serantoni, DGS-Performer:in: Aurelia Schäfer, Audiodeskription & Tastführung: Ari Althaus, Johanna Krins, Gina Jeske
Über Rita Mazza
Rita Mazza (sie/they) ist eine freischaffende Künstler:in in Berlin, die als künstlerische Leiter:in, Kurator:in und Performer:in mit visuellen Gebärden(sprach)performances arbeitet.
2018 war sie als künstlerische Leiter:in des Festival del Silenzio, einem internationalen Performing Arts Event mit Schwerpunkt Gebärdensprache und Gehörlosenkunst. 2020 erforschte Rita Mazza im Rahmen einer vierwöchigen Forschungsresidenz („Making a Difference“) an den Uferstudios die Gemeinsamkeiten von Tanz und Gebärdensprache. Auf die daraus hervorgehende Solo-Arbeit „Dandelion II“ folgte das Visual-Sign-Performance-Projekt „Space 1880″ zusammen mit Anne Zander. „Matters of Rhythm“ (2023) wurde 2024 zur Tanzplattform Deutschland eingeladen, wo alle zwei Jahre aktuelle Entwicklungen und Strömungen des zeitgenössischen Tanzes vorgestellt werden.