Der politische Tortenwerfer

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„Kein Aktivist will einen Politiker torten. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Sahnetorten.“ Das Peng! Collective erklärte der AfD den „tortalen Krieg“ gegen ihre Anti-Asyl-Politik und warf mit Sahnetorten.

Nicht nur auf Beatrix von Storch. Sie sprach sich zuvor für Waffengewalt an der Grenze aus.

Keiner darf glauben, dass er den Boden von Ethik, Moral und Menschenrechten durch die Drohung tödlicher Gewalt gegen Menschen ungestraft verlassen kann. Wer das wie die AfD tut, läuft Gefahr einen tortalen Krieg auszulösen. (Peng.)

Es ist nicht das erste Mal, dass das Peng! Collective auf sich aufmerksam macht. In seinem Vortrag „Zeit für Sabotage!“ forderte Jean Peters auf der Webkonferenz re:publica 14 zu zivilem Ungehorsam und gab sich einen Tag später gemeinsam mit seiner Kollegin Faith Bosworth als Googlemitarbeiter aus, der haarsträubende Produkte vorstellte. Die Anwesenden des Live-Vortrags wurden eingeweiht, die Aufzeichnung zeigte den Hoax nicht. Nach einiger Zeit löste er die Aktion als Falschmeldung auf. In jüngster Zeit bastelte das Peng! Collective eine falsche Webseite, die die Schattenseiten des SoldatIn-Seins beleuchtete, zudem boten Peng mit Intelexit ein Ausstiegsprogramm für Geheimdienstmitarbeiter aus den USA, Großbritannien und Deutschland an.

 

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So unterhaltsam das auch klingen mag, hinter all verrückten Aktionen stecken ernsthafte Absichten. Ein Interview mit Jean Peters über zivilen Ungehorsam, einer Software zum Aushebeln von Demokratie und Narrenfreiheit. Das Interview mit Peters wurde im Mai 2014 geführt. Die Zwischenmoderationen wurden nachträglich eingefügt. Die Fragen sind originalgetreu.

Herr Peters, Sie sind Mitglied des Peng! Collektive, das Menschen animieren soll, für Veränderung einzustehen. Wie ermutigt man Menschen zum Protest?

Peters: Protest an sich ist ja kein Ziel, das ist also Quatsch. Doch prinzipiell ist es spannend, ob es ganz strategisch einen linken Populismus geben sollte. Ich würde sagen: Campaigning, Werbung oder jegliche Form von Propaganda ist nur dann legitim, wenn die Selbstbestimmung der Menschen ihr Ziel ist. Das geht gut, indem man existierende Codes und Machtstrukturen persifliert, hinterfragt und somit die alltägliche „Nicht-Hinterfragbarkeit“ hinterfragbar macht.

Und das macht Peng aus?

Peters: Wir erforschen die Schnittstelle zwischen Politik, Kunst und Wissenschaft. Was für neue Formen gibt es, ein Thema in der Öffentlichkeit zu bearbeiten, so dass es gesellschaftlich relevant, ästhetisch interessant und inhaltlich gut recherchiert ist? Kommunikationsguerilla zu sein ist nur eine von vielen Methoden – doch eine sehr wirkungsvolle, wenn man die Menschen zum selber Denken auffordern möchte. Die Erfahrung zeigt, dass sie meist auch froh sind, in ihrer Intelligenz ernst genommen zu werden. Wer will schon vorgekaute Meinungen auf einer Kampagnenseite lesen, wenn sie oder er nicht ohnehin überzeugt ist?

„Kein Aktivist will einen Politiker torten. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Sahnetorten. Und derzeit ist der Gebrauch von Torten das moralische Gebot der Stunde. Der Tortenwurf ist letztes Mittel am Grenzbaum zur Unmenschlichkeit und dringlichster Ausdruck direkter Demokratie.“  (Peng.)

…nun also wirft Jean Peters mit Politikern auf Torten. Das ist aber nicht der einzige Versuch, mit zivilem Ungehorsam gegen Ungerechtigkeiten unserer Demokratie vorzugehen. (Anm. d. Red. 2016)

Mit „DemocReady“ stellen Sie Software zum Aushebeln der Demokratie vor und Sie sind außerdem CEO von „Horst Köhler Consulting“. All das ist Fake. Konzernchefs und politische Sprecher müssen doch ziemlich schlecht auf Sie zu sprechen sein?

Peters: Das kann ich schwer einschätzen. Ich denke, dass jeder ernst zu nehmende Konzernchef versteht, dass wir einfach nur unseren Job machen. Es geht uns ja auch nicht um Konzernchefs oder Unternehmen generell. Es geht mehr darum, dass eine Demokratie, die nur machtanreichernde Organisationen hat, auf Monopole, Korruption und Unterdrückung hinausläuft. Und wir übernehmen nun den schlecht bezahlten, doch sehr unterhaltsamen Job, die Machtverhältnisse auszugleichen, wie wir können. Mit DemocReady haben wir auch eine scharfe Kulturkritik zeichnen wollen: Wie kommt es, dass so viele Unternehmen sich daran gewöhnt haben, Demokratie mit Marketingmitteln zu unterhöhlen? Nur weil es legal ist, ist es noch längst nicht legitim.

 

 

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Im Dezember 2013 sorgte Jean Peters alias Paul von Ribbeck mit einer Kunst-Ölfontäne beim „Shell Science Slam“ für weltweites Aufsehen… (Anm. d. Red. 2016)

Beim „Shell Science Slam“ wollten Sie als Paul von Ribbeck ein Auto vorstellen, das die Luft reinigt. Doch dann sprudelte aus dem Apparat eine Schmutzfontäne. Die damalige Botschaft: „Hier kannst Du den Stecker ziehen. In der Arktis nicht.“ Der Slam musste abgebrochen werden. Was passierte danach?

Peters: Danach haben wir weiter Stellung genommen und versucht, mit Shell in Dialog zu treten. Burson Marsteller und Shell hatten jedoch kein Interesse daran. Zugleich war aber bei manchen Angestellten deutlich sichtbar, dass sie die Aktion schön fanden und nicht eingestehen konnten, dass sie sich fühlten, als wären sie auf der falschen Seite. Naja, und dann ging die Nachricht um die Welt. In Nigeria und den USA lachten alle mit, Anrufer von den Philippinen und aus Neuseeland pflichteten uns bei und bedankten sich dafür, dass wir mit einer humorvollen Aktion auf die Kacke gehauen haben. Unternehmensberater und Risikomanager meldeten sich, weil sie mit unseren Informationen hofften, ihre Kunden besser auf eine PR-Gegenattacke vorbereiten zu können. Insgesamt scheinen wir da eine Sehnsucht bei der Zivilgesellschaft und eine Angst bei Unternehmen getroffen zu haben.

Hat Shell Sie angezeigt?

Peters: Nein. Eine gute PR Abteilung weiß, dass sie damit nur noch mehr Medienschlamm abbekommen. Sie sind leider auch nicht auf mein Dialogangebot eingegangen – und ich bin nicht müde, auf ihre Pressemitteilung zu reagieren, in der sie behaupten, ein Dialog sei ihnen lieb. Shell steckt so viel Geld in PR, da sollten sie doch auch etwas übrig haben, um ihre menschenverachtende Politik im Nigerdelta zu stoppen und ökologische und soziale Schäden zu beheben.

 

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Wie oft haben Sie sich für Ihre Aktionen vor Gericht verantworten müssen?

Peters: Ich war bisher drei Mal vor Gericht (Stand 2014). Das waren immer kleinere Sachen, wo die RichterInnen mit uns lachten oder die Polizei uns falsche Tatsachen vorwarf, um uns eine Weile still halten zu können. Es war sehr gesund, denn so konnte ich die Repressionsabläufe kennenlernen und mich als juristisch verantwortliche Person bilden.

Hat man als Kommunikationsguerrilla Narrenfreiheit?

Peters: Natürlich gibt es Grenzen. Die Legitimität unseres Handelns kann nur mit einer klaren Ethik funktionieren. Etwa, dass es uns nicht um einzelne Personen geht, sondern um die Kulturen und Systeme, in denen sie agieren. Uns ist wichtig, dass wir gewaltfrei und mit Charme handeln, offenherzig und mit Überzeugung. Etwas romantisch gesagt: Wir handeln aus Liebe.

Spaß und Ernst liegen bei Jean Peters nah beeinander. (Anm. d. Red. 2016)

Sie sorgen nicht nur für unterhaltsame Guerilla-Aktionen, sondern engagieren sich auch seit Jahren als Clown. Sehen Sie Parallelen zwischen beidem?

Peters: Als Kinderclown arbeite ich für Kinder, als Aktivist für Kinder und Erwachsene. Ich erforsche als Politikwissenschaftler Machtverhältnisse und Ideologien, als Clown spiele ich damit. Oder ist diese Antwort jetzt zu trocken? Dann würde ich frei nach Emma Goldmann sagen, dass wir bei unseren kleinen Revolutionen auch tanzen sollten.

 

Weitere Informationen

Das Interview führte ich am 6. Mai 2014, einen Tag später gab sich Jean Peters gemeinsam mit Faith Bosworth als Googlemitarbeiter aus und stellte neue haarsträubende Produkte vor. Das Foto wurde von Jean Peters im Mai 2014 gesendet. Bitte bei Copyright-Fragen an Jean Peters wenden. Zur Peng!-Website. Mehr Infos gibt es auch unter #‎tortalerkrieg‬.

Jean Peters weiß über das digitale Update Bescheid und hatte mich gebeten, die Fragen originalgetreu abzubilden. Aus Gründen der Lesbarkeit wird in der 2016-Version gesiezt. Die Zwischenmoderationen fügte ich aus Aktualitäts- und Informationsgründen neu ein.