Einst dachte man, die Menschen seien vom Teufel besessen, wenn sie tanzten. Mette Ingvartsen widmet sich in „The Dancing Public“ der Geschichte der Tanzwut und steckt schließlich das ganze Publikum an.
Treibender Beat erfüllt den halbdunklen Festsaal der Sophiensaele. Eine Leuchtsäule befindet sich in der Mitte des Raumes, drei Plateaus und ein DJ-Pult an den Seitenwänden ergänzenden die karge Einrichtung. Stühle gibt es nicht.
Heute Nacht werden wir tanzen!
Die Performerin tanzt mit Sprechgesang durch das Publikum: „Tonight we will be dancing. I will be dancing. My eyes will be dancing. My hands will be dancing. My fingers will be dancing. My lips will be dancing. My words will be dancing. Words dancing. Words dancing. Words dancing.“ Sie fasst sich in die Haare „My hair will be dancing.“ Einige tanzen schon. Ihr mehrstrophiges Spoken-Word-Technostück dauert einige Minuten und setzt den Grundton für den ganzen Abend.
Die Tanzwut tanzt alles weg
Rhythmisch die Füße auf dem Boden bewegend, beginnt Ingvartsen von einer Hungersnot zu erzählen, die so groß war, dass eine Frau ihr Kind ertränken musste, weil sie es nicht mehr ernähren konnte. Ihre Trauer verwandelt die Performerin in repetitive Bewegungen, die wiederum in Tanz enden. Ingvartsen, die in „The Dancing Public“ viel mit Bewegungsmustern arbeitet, tanzt alles weg. Hungersnot, Trauer, Krankheit. Sie wirft ihre Beine in die Luft, ihre Arme wehen mit oder gegen den Tanzwind und ihren Kopf wirft sie wild von links nach rechts. Wahnsinn und Tanzwut bilden oft eine Einheit.
Schlau verknüpft Ingvartsen Inhalt, Ausdruck und Tanzmuster miteinander, erklärt, dass man früher glaubte, jemand sei vom Teufel besessen, wenn er/sie tanzte. Eine hysterische Fratze lacht dem Publikum ins Gesicht, einige lachen zurück. Wie Teufelshörnchen stemmt sie ihre Hände an ihr Gesicht. Keine ihrer Bewegungen überlasst sie dem Zufall, bis sie in völliger Erschöpfung niedersinkt. Doch die Party geht weiter – bis auch das tanzende Publikum nach ihr die Bühne verlässt.
Weitere Informationen
Mette Ingvartens „The Dancing Public“ wird von 17. bis 19. August im Rahmen von Tanz im August gezeigt. Das Festival findet seit 5. August bis 27. August 2022 statt.