Berlinale 2022: Eine Bilanz

Porträt Emma Thompson. Starfoto von Jens Koch. Copyright Foto vom Foto: Susanne Gietl/Kulturschoxx
Porträt Emma Thompson. Starfoto von Jens Koch. Copyright Foto vom Foto: Susanne Gietl/Kulturschoxx

Fast eine halbe Million Kinozuschauer* begrüßt die Berlinale jährlich. Letztes Jahr fand sie für Fachbesucher* im Winter online und für das Publikum im Sommer statt, dieses Jahr wagte die Festivalleitung den Schritt zurück in die Kinos. Doch was bedeutet es, wenn das größte Publikumsfestival der Welt in Zeiten der Pandemie stattfindet? Ein Text über Hygienekonzepte, Lars Eidingers Rede für Isabelle Huppert und Hausaufgaben von Emma Thompson.

Strenges Hygienekonzept

Wenn bei steigenden Infektionszahlen ein Festival geplant wird, dann gibt es nur zwei Optionen: Das Festival absagen oder die Hygieneregeln verschärfen. Das Festivalteam entschied sich für letzteres. Nur Geimpfte und Genesene besuchten das Festival, Fachpublikum musste sich für die Sichtungen täglich testen.

Für vereinfachten Einlass wurden nach negativem Test täglich neue Festivalbändchen vergeben, Tickets – auch für Pressekonferenzen – erhielt man online. Das funktionierte erstaunlich gut. Jeder zweite Kinosessel blieb frei, Plätze wurden automatisch vergeben, was so manchen Frühbucher* in die erste Reihe verbannte. Letztlich fand jeder seinen Platz und – zum Glück – auch seine Maske. Freies Atmen war nur Draußen möglich. Parties fanden keine statt, der rote Teppich wurde für Gäste ausgerollt. Doch nicht jeder kam.

Eine kleine Gästebilanz

Isabelle Adjani, die Hauptdarstellerin von François Ozons Eröffnungsfilm „Peter von Kant“, blieb der Premiere fern, auch Sigourney Weaver („Call Jane“) und Elizabeth Banks („Call Jane“) fehlten. Zur Verleihung des Ehrenbären wurde ausgerechnet die Preisträgerin schmerzlich vermisst. Isabelle Huppert wurde am Tag, kurz vorm Abflug, zuvor positiv auf Corona getestet.

A little love from Lars Eidinger

Und so verlief die Verleihung des Ehrenbären an Isabelle Huppert anders als geplant. Lars Eidinger , der an der Seite von Hupperts neuem Film „A propos de Joan“ spielt, hielt ihre Laudatio, Huppert wurde live aus Paris zugeschaltet.

Auf der Bühne erzählte Eidinger von dem Tag, als er Huppert zum allerersten Mal spielen sah, für ihn war „die Klavierspielerin“ eine „komplette Offenbarung“. Er gestand ihr seine Liebe, Huppert hauchte ihm einen virtuellen Handkuss zu und lauschte interessiert seinen Worten. Man spürte, wie der Schauspieler sichtlich gerührt um Worte rang. Ein bisschen wirkte es so, als wäre Huppert doch im Saal, so persönlich war Eidingers Rede.

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Encouragement von Emma Thompson

Auch Emma Thompsons Besuch der 72. Berlinale zählte wahrlich zu den Highlights. Thompson präsentierte „Good Luck to You, Leo Grande“ mit großer Leichtigkeit. In nur 19 Tagen drehten Thompson und ihr Filmpartner Daryl McCormack die Filmkomödie über eine Religionslehrerin, die mit Hilfe eines Callboys zum ersten Mal Lust verspüren möchte.

Am Ende des Filmes steht Thompson nackt vor dem Spiegel. „Ich kann nicht einfach nur da nackt vor dem Spiegel stehen, das ist schrecklich. Alle Frauen wurden einer Gehirnwäsche unterzogen, um ihren Körper zu hassen“, erklärt sie während der Konferenz und gibt allen Frauen Hausaufgaben auf: „Stellen Sie sich vor einen Spiegel und bewegen Sie sich nicht und dann ziehen Sie ihre Kleidung aus. Akzeptieren Sie es und bewerten Sie es nicht.“ Auch für sie nicht einfach, gesteht Thompson.

Thompson vermag es, wie wenige ihre Botschaft zu vermitteln. Von Frau zu Frau. Von Mensch zu Mensch. Die Signatur auf ihrem Berlinale-Porträt gibt Mut: „Good times are coming back to Berlin and the world!“ Die Berlinale setzte ein Zeichen, dass wider den Umständen gute Momente mit Abstand möglich sind.

Weitere Informationen

Die 72. Berlinale fand von 10. bis 20. Februar 2022 statt. Erstmals wurden die Bären bereits am siebten Festivaltag verliehen, es gab fünf Publikumstage. Gäste waren unter anderem Emma Thompson, Juliette Binoche und Charlotte Gainsbourg. François Ozons „Peter von Kant“ und Phyllis Nagys „Call Jane“ feierten ihre Weltpremiere im Wettbewerb der Berlinale, Laurent Larivières Weltpremiere von „A propos de Joan“ und Sophie Hydes „Good Luck to You, Leo Grande“ liefen in der Sektion Berlinale Special Gala.